Überblick und Vergleich
Im Folgenden wird ein umfassender Überblick über die in Deutschland aktiven buddhistischen Traditionen gegeben – inklusive westlich geprägter Bewegungen. Zunächst bietet eine Tabelle einen Vergleich der wichtigsten Merkmale (Herkunft, Vermittlung, Spiritualität, Präsenz, bekannte Probleme). Anschließend werden die einzelnen Traditionen ausführlicher beschrieben, mit ihren Besonderheiten, Praxisformen und eventuellen Herausforderungen.
Vergleich der buddhistischen Traditionen in Deutschland
Herkunft & geschichtlicher Hintergrund
Theravāda (südlicher Buddhismus):
Entstand ~5. Jh. v. Chr. in Indien; älteste Schulrichtung, über Sri Lanka & Südostasien verbreitet. Ab 19. Jh. in Europa bekannt (Pali-Kanon-Übersetzungen, z.B. K.E. Neumann). In Deutschland frühe Pioniere wie P. Dahlke (gründete 1924 das Berliner „Buddhistische Haus“); ab späterem 20. Jh. Wachstum durch asiatische Einwanderer (v.a. Thai, Sri-Lanka).
Zen-Buddhismus (Chan/Seon):
Entstand 6. Jh. in China (Chan), gelangte nach Japan (Zen) und Korea (Seon). Betonung der Meditation und direkten Erleuchtungserfahrung (Satori, Kensho). Im Westen ab frühem 20. Jh. populär (z.B. D. T. Suzukis Schriften, Eugen Herrigels Zen in der Kunst des Bogenschießens 1922). In Deutschland erste Zen-Gruppen nach 1945, inspiriert durch japanische und koreanische Lehrer.
Tibetischer Buddhismus (Vajrayāna):
Ab 7.–8. Jh. n. Chr. aus Indien nach Tibet übertragen; tantrische Mahāyāna-Form mit Ritualen, Mantras und Guru-Verehrung. Vier Hauptschulen (Nyingma, Kagyü, Sakya, Gelug). Im Westen bekannt v.a. seit den 1960ern durch den 14. Dalai Lama und tibetische Lamas im Exil (Flucht 1959). In den letzten Jahrzehnten haben sich verschiedene tibetische Schulen auch in DE etabliert.
Nichiren-Buddhismus (Sōka Gakkai):
Geht zurück auf Nichiren (1222–1282) in Japan, der die ausschließliche Verehrung des Lotos-Sutra lehrte. Die Laienbewegung Sōka Gakkai wurde 1930 in Japan gegründet und nach dem Krieg neu belebt; Motto: „Glück im Diesseits“. Ab 1960er weltweite Mission unter Präsident Daisaku Ikeda. In DE seit späten 60ern aktiv, verstärkt ab 1980er auch deutsche Konvertiten.
Reines Land (Jōdo-Shinshū):
Mahāyāna-Tradition des „Reinen Landes“ (Japan). Begründet von Shinran (1173–1262), Schüler des Honen, der die Nenbutsu-Praxis lehrte. Jōdo Shinshū entwickelte sich im 13. Jh. in Japan zur größten buddh. Schule (Haupttempel: Nishi Hongwanji, Kyōto). Zentral ist die Anrufung Amida Buddhas für die Wiedergeburt im Reinen Land (Paradies). Über japanische Auswanderer weltweit verbreitet (Hawaii, USA, Brasilien etc.).
Säkularer Buddhismus:
Moderne Strömung (seit ~1990er) im Westen. Begriff geprägt durch Stephen Batchelor, der einen Buddhismus ohne „Metaphysik“ oder Dogmen anstrebt. Hintergrund ist die Anpassung der Lehre an ein wissenschaftliches Weltbild: z.B. Ablehnung von wörtlicher Wiedergeburtslehre und Karma als kosmischem Gesetz. Sie knüpft an frühbuddhistische Lehren an, interpretiert sie aber humanistisch und agnostisch.
Vipassanā-Bewegung:
Entstand im 20. Jh. als Meditations-Renaissance im Theravāda. Ursprünge u.a. in Burma (Mahasi Sayadaw, U Ba Khin) und Thailand (Ajahn Chah), die traditionelle Einsichtsmeditation für Laien zugänglich machten. Weit verbreitet durch S. N. Goenka, der ab 1969 weltweit 10-Tage-Kurse einführte. In DE fand 1983 der erste Goenka-Kurs statt; seitdem Aufbau eines eigenen Vipassana-Zentrums (Dhamma Dvāra, seit 2002) und zahlreicher Retreats.
Diamantweg-Buddhismus (Kagyü):
Westliche Laienbewegung innerhalb der Karma-Kagyü-Schule (tibetisch). Gegründet ~1972 vom dänischen Ehepaar Ole und Hannah Nydahl, die vom 16. Karmapa mit dem Aufbau westlicher Zentren beauftragt wurden. Rasches Wachstum seit den 1980ern – weltweit über 600 Zentren. Betonung eines dynamischen, modernen Zugangs zum Vajrayāna, zugeschnitten auf Laien im Berufsleben.
Triratna (ehem. FWBO):
1967 in England von Sangharakshita (Dennis Lingwood) gegründet als „Friends of the Western Buddhist Order“. Ziel: einen nicht-sektiererischen, westlich zugänglichen Buddhismus zu etablieren. Sangharakshita kombinierte Elemente aus Theravāda, Mahāyāna und Vajrayāna. Seit 2010 Name Triratna Buddhist Community. Heute weltweit in über 20 Ländern aktiv.
Engagierter Buddhismus (Thích Nhất Hạnh):
Moderne, global ausgerichtete Bewegung. Begriff “Engaged Buddhism” geprägt in den 1960ern vom vietnamesischen Zen-Mönch Thích Nhất Hạnh während des Vietnamkriegs (Aufruf, Buddhismus ins gesellschaftliche Handeln zu bringen). 1982 Gründung des Klosters Plum Village (Frankreich) als Zentrum des engagierten Buddhismus. TNH’s Lehre verbindet Zen mit aktiver Friedensarbeit, Ökologie und sozialem Engagement. 2008 Gründung des Europäischen Instituts für Angewandten Buddhismus (EIAB) in Waldbröl als Ausbildungszentrum.
Wissensvermittlung
Theravāda (südlicher Buddhismus):
Studium der Pāli-Schriften (Suttas, Vinaya); klösterliche Ausbildung der Mönche in traditionellen Lehrlinien. Betonung von Meditation (Vipassana, Metta) und moralischer Disziplin; direkte Lehrer-Schüler-Beziehung vor allem im monastischen Kontext.
Zen-Buddhismus (Chan/Seon):
Hauptsächlich durch meditative Praxis: Zazen (Sitzmeditation) als Kern, ggf. Kōan-Schulung in Rinzai-Linie. Persönliche Anleitung durch Zen-Meister (Roshi) in Lehrer-Schüler-Gesprächen (Dokusan). Sutren wie das Herz-Sutra werden rezitiert, doch steht intuitive Erfahrung über theoretischem Studium.
Tibetischer Buddhismus (Vajrayāna):
Vermittlung durch autorisierte Lehrer (Lamas, Rinpoches); Kombination von Textstudium (Sutras und Tantras) und Initiation. Klösterliche Ausbildung (bes. in Gelug mit kl. Universitäten) und Laienunterweisung parallel. Essenziell ist die Guru-Schüler-Beziehung: tantrische Lehren werden individuell vom Meister zum Schüler übertragen (Initiationen, z.B. Mandala-Einweihungen).
Nichiren-Buddhismus (Sōka Gakkai):
Kern der Praxis ist das Chanten des Daimoku (Mantra Nam-Myoho-Renge-Kyō aus dem Lotos-Sutra) vor der Hausaltarschriftrolle (Gohonzon). Wissensvermittlung durch Studium von Nichirens Schriften und regelmäßige Versammlungen in lokalen Gruppen (Zadan-kai). Keine monastischen Lehrer; spirituelle Führung durch Laien-Kader und die zentrale SGI-Organisation. Ikeda als Ehrenpräsident gilt vielen als Vorbild.
Reines Land (Jōdo-Shinshū):
Wissensübermittlung durch Tempelgemeinden; Shin-Priester sind meist verheiratete Geistliche (keine strenge Mönchstradition). Studium der Drei Reines-Land-Sūtras und der Schriften Shinrans ist Grundlage, aber Vertrauen (shinjin) gilt wichtiger als Gelehrsamkeit. Praxis: gemeinsames Rezitieren des Nenbutsu („Namu Amida Butsu“) als Ausdruck des Vertrauens, oft begleitet von Andachten und Gedenken an Amida.
Säkularer Buddhismus:
Primär durch Lektüre und Diskussion: Fokus auf den ursprünglichen Worten des Buddha (Pāli-Nikāyas) und ihre zeitgemäße Interpretation. Kein fester Lehrerstamm – oft Laienlehrer oder Gruppen ohne Hierarchie. Meditation (bes. Achtsamkeit) wird als säkulare Übung zur Leidminderung vermittelt. Wissensvermittlung geschieht über Bücher, Vorträge, Blogs und peer-group Lernen statt traditioneller Guru-Schüler-Linie.
Vipassanā-Bewegung:
Wissen wird durch intensives Üben vermittelt: standardisierte 10-Tage-Schweige-Retreats lehren schrittweise die Vipassana-Technik. Goenka-Kurse folgen aufgezeichneten Anleitungen und Vorträgen (Audio/Video), Assistenzlehrer sorgen für organisatorischen Rahmen. Im Kern steht aber immer die eigene Erfahrung der Meditation als Lehrer.
Diamantweg-Buddhismus (Kagyü):
Unterricht vor allem durch Lama Ole Nydahl selbst in Form von Vortragsreisen; lokale Gruppen organisieren gemeinsame Meditationen. Die Inhalte basieren auf traditionellen Kagyü-Lehren (z.B. Guru-Yoga auf den 16. Karmapa mit dem Mantra Karmapa Chenno, Phowa-Todeskultivation etc.), aber in kurzer, zugänglicher Form. Es gibt kein monastisches System; Wissen wird durch persönliche Erfahrung, populäre Bücher und informelle Lehrer-Schüler-Netzwerke weitergegeben.
Triratna (ehem. FWBO):
Greift eklektisch auf die gesamte buddh. Überlieferung zurück und wählt praktikable Ansätze für moderne Menschen. Vermittlung durch Zentren mit Meditationskursen (z.B. Achtsamkeit, Liebende Güte) und Dharma-Studium für Laien. Der Triratna-Orden ordiniert Männer und Frauen (gleichberechtigt) als Dharmacharis, aber diese bleiben Laien im Alltag. Lehrer-Schüler-Verhältnis ist eher kollegial; Betonung von Kalyana Mitrata (spirituelle Freundschaft) statt Guru-Hierarchie.
Engagierter Buddhismus (Thích Nhất Hạnh):
Wissensvermittlung durch Vorleben und gemeinschaftliche Praxis. Thích Nhất Hạnh schrieb viele leicht verständliche Bücher, lehrte gewaltfrei und interreligiös. Praxis in sog. Mindfulness Sanghas: Meditation im Sitzen und Gehen, Achtsamkeit im Alltag, ethisches Engagement (z.B. Umweltaktionen). Lehrer-Schüler-Verhältnis betont Gleichheit – er nannte sich „Bruder“ unter Brüdern/Schwestern. Die Ordination des Intersein gründete einen Laienorden für engagierte Praktizierende.
Grad der Spiritualität / Mystik
Theravāda (südlicher Buddhismus):
Eher nüchtern und rational geprägt. Fokus auf Ethik und Einsicht statt auf Rituale; Glaube an Karma und Wiedergeburt vorhanden, aber kaum esoterische Praktiken. „Volksbuddhistische“ Elemente (Geisterglauben, Amulette) wurden von modernen Theravāda-Reformern kritisch gesehen.
Zen-Buddhismus (Chan/Seon):
Mystische Erleuchtungserfahrung (Satori) wird angestrebt, doch Zen ist für seine schlichte, praxisorientierte Haltung bekannt. Wenig Rituale, oft klösterliche Strenge; transzendente Erfahrungen gelten als möglich, aber Dogmen und metaphysische Spekulationen werden zurückgestellt.
Tibetischer Buddhismus (Vajrayāna):
Sehr hoch mystisch: Reich an esoterischen Praktiken – Visualisierung von Meditationsgottheiten, Rezitation von Mantras, Mandala-Rituale, Yoga-Techniken. Guru-Yoga (Vereinigung mit dem erleuchteten Geist des Meisters) und Vertrauen in transzendente Kräfte (Schutzgottheiten, Orakel) sind Teil der Praxis. Gleichzeitig ethische Basis (Bodhisattva-Gelübde) und philosophische Schulung (Madhyamaka, Yogācāra) vorhanden.
Nichiren-Buddhismus (Sōka Gakkai):
Mittel: Kombination aus tiefer Glaubensüberzeugung und weltbezogener Spiritualität. Starker Glaube an die mystische Wirkkraft des Lotos-Sutra im Alltag, jedoch wenig kontemplative Mystik. Rituale sind einfach (Chanten, Gebete), und Spiritualität äußert sich im Lebensoptimismus und der Überzeugung, dass sich innere Einstellung in äußeres Glück wandelt.
Reines Land (Jōdo-Shinshū):
Hoch devotional, mäßig mystisch: Starke Betonung der anderen Kraft (tariki) – die Gnade Amidas gilt als letztlich entscheidend. Daraus ergibt sich ein eher frommer Charakter: Dankgebete, Chanting, Gedenken an Amida’s Gelübde. Visionäre oder meditative Mystik spielt eine geringere Rolle, da die Erlösung nicht durch Eigenleistung (Meditation) erreicht wird, sondern durch Amidas Versprechen. Spiritualität äußert sich in Demut, Dankbarkeit und Alltagsethik.
Säkularer Buddhismus:
Niedrig: Metaphysische und mystische Aspekte werden bewusst ausgeklammert. Die Praxis ist eher Philosophieschule bzw. Psychologie: Achtsamkeit, Ethik, Mitgefühl – ohne Glauben an transzendente Kräfte. Spiritualität wird als innerweltliche Erfahrung definiert, vergleichbar einem säkularen Humanismus mit Meditation.
Vipassanā-Bewegung:
Mittel: Vipassana ist spirituell, aber nicht ritualistisch. Mystische Erfahrungen sind kein Ziel, vielmehr klare Einsicht in die Realität („Dinge sehen, wie sie wirklich sind“). Relativ nüchterne Atmosphäre – Schweigen, Beobachtung des Atems und der Körperempfindungen. Spirituelle Tiefe ergibt sich aus Konzentration und Achtsamkeit, weniger aus Gebet oder Symbolik. Es gibt jedoch auch Geschichten von meditativ-spirituellen Durchbrüchen (sogenannte Stream Entry usw.), die aber im säkularen Rahmen erklärt werden.
Diamantweg-Buddhismus (Kagyü):
Hoch: Als Vajrayāna-Weg beinhaltet der Diamantweg alle typischen mystischen Elemente (Mantras, Mandalas, Visualisierungen). Allerdings wird die exotische Symbolik oft modern gedeutet. Ole Nydahl propagiert eine „dauerhafte Erfahrung von Furchtlosigkeit, Freude und Mitgefühl“ als Ergebnis der Praxis – spiritualisiert dies aber weniger theologisch, sondern verspricht es als direkt erfahrbares Lebensgefühl.
Triratna (ehem. FWBO):
Mittel: Pflegt buddhistische Praxis einschließlich Ritual (gemeinsame Puja, Zufluchtnahme zu Buddha-Dharma-Sangha) und Meditation. Gleichzeitig kritisch gegenüber dogmatischer Enge: Triratna verzichtet auf äußerliche Hierarchie buddhistischer Schulen zugunsten eines inklusiven Ansatzes. Mystik und Spiritualität werden positiv gesehen (z.B. Verehrung von Buddhas, Mantras), aber es gibt keine esoterischen Geheimlehren – alles soll „im Licht der heutigen Zeit“ stehen.
Engagierter Buddhismus (Thích Nhất Hạnh):
Niedrig bis mittel: Wenig Betonung auf metaphysische Doktrinen, starke Betonung auf gelebter Achtsamkeit hier und jetzt. Rituale wurden vereinfacht und ins Alltägliche übertragen (z.B. achtsames Tee-Trinken als Zeremonie). Trotzdem ist eine spirituelle Tiefe vorhanden – gemeinsames Mantra-Singen, traditionelle Sutren (Herz-Sutra) in Übersetzung, Bodhisattva-Ideal als Leitbild. Mystische Erfahrungen treten zugunsten eines praktischen Mystizismus des Alltags zurück: Achtsamkeit in jedem Moment als spiritueller Akt.
Präsenz in Deutschland
Theravāda (südlicher Buddhismus):
Ca. 270.000 Buddhisten in DE (alle Traditionen), davon viele im Theravāda. ~48 thailändische Tempel (Wat) in DE, größte asiatisch-buddh. Gemeinde. Auch deutsche Theravāda-Zentren und Klöster (z.B. „Buddha-Haus“ in Allgäu, „Waldkloster“ in Bayern).
Zen-Buddhismus (Chan/Seon):
Viele Zen-Dōjō und Zentren in DE (Sōtō- und Rinzai-Linien). Größere Zen-Gruppen in Hamburg, Berlin, München u.a. Thích Nhất Hạnhs Plum-Village-Tradition betreibt das EIAB (Kloster) in Waldbröl seit 2008. Zen gehört zu den vier meistverbreiteten Richtungen in Deutschland.
Tibetischer Buddhismus (Vajrayāna):
Zahlreiche Zentren aller vier Hauptschulen in DE seit den 1970ern. Z.B. Gelugpa-Zentren (Tibetisches Zentrum Hamburg, FPMT in München usw.), Karma-Kagyü-Zentren (Karmapa-Trust), Nyingma-Gruppen (Rigpa e.V.) und Sakya-Klöster. Einige tausend tibetische Exilanten leben in DE, aber die meisten Praktizierenden sind deutsche Konvertiten. Insgesamt gehört Vajrayāna zu den populärsten Richtungen in DE.
Nichiren-Buddhismus (Sōka Gakkai):
Sōka Gakkai International Deutschland (SGI-D) ist seit 2003 als Religionsgemeinschaft anerkannt. Mit mehreren tausend Mitgliedern eine der größten buddh. Gruppen in DE. Landeszentren u.a. in München und Düsseldorf, viele lokale Chanting-Gruppen. International ca. 10 Mio. Mitglieder (Stand 1960er); aktuell Schätzungen um 12 Mio. weltweit.
Reines Land (Jōdo-Shinshū):
In DE eine kleine Präsenz. Die BGJ-D (Buddhistische Gemeinschaft Jōdo Shinshū Deutschland e.V.) unterhält drei Begegnungsstätten (u.a. Düsseldorf). Geleitet von japanischen Priestern, zieht aber auch einige deutsche Anhänger an.
Säkularer Buddhismus:
In DE keine eigene Massenbewegung, aber Einfluss vorhanden. Es gibt eine AG Säkularer Buddhismus in der DBU sowie Stiftungen (z.B. Buddha-Stiftung) und Netzwerke, die Veranstaltungen anbieten. Viele an Buddhismus Interessierte ohne formelle Zugehörigkeit identifizieren sich als „säkulare Buddhisten“. Auch säkulare Achtsamkeitsangebote (MBSR etc.) transportieren teils buddhistisches Gedankengut in die breite Öffentlichkeit.
Vipassanā-Bewegung:
In DE ein Goenka-Zentrum (Dhamma Dvāra in Triebel/Vogtland, ~100 Plätze) mit laufenden Kursen. Zusätzlich organisieren die Vipassana-Verbände Kurse an gemieteten Orten (jährlich dutzende 10-Tage-Kurse deutschlandweit). Daneben feste Häuser wie Buddha-Haus (Allgäu) oder Waldhaus am Laacher See, die Vipassana-Retreats unter unabhängigen Lehrern anbieten. Eine wachsende Zahl städtischer Meditationsgruppen trifft sich zur gemeinsamen Einsichts-Meditation.
Diamantweg-Buddhismus (Kagyü):
In Deutschland bis 2019 ca. 150 Diamantweg-Gruppen (im BDD e.V. organisiert). 2019 trat Diamantweg aus der DBU aus (Streit um Oles Islamkritik). Zentren existieren in nahezu allen größeren Städten; ein internationales Retreatzentrum ist in Immenstadt/Allgäu (Europe Center). Viele Anhänger sind junge bis mittelalte Laien. Insgesamt eine der größten buddhistischen Bewegungen in DE (Eigenangabe BDD: ~7500 Mitglieder).
Triratna (ehem. FWBO):
In Deutschland kleine bis mittlere Präsenz: Zentren in Essen, Berlin, München u.a., Retreatzentrum Vimaladhatu (Sauerland). Triratna ist Mitglied der DBU und vernetzt sich international. Die Gemeinschaft publiziert eigene Lehrmaterialien und organisiert Treffen für verschiedene Alters- und Interessensgruppen. Insgesamt nur wenige Dutzend aktive Mitglieder in DE.
Engagierter Buddhismus (Thích Nhất Hạnh):
In Deutschland v.a. durch das EIAB in Waldbröl (größtes Plum-Village-Kloster Europas) präsent. Zudem zahlreiche freie Gruppen von TNH-Schüler*innen (sog. Haus-Sanghas in vielen Städten), die sich regelmäßig zur Meditation und zum Austausch treffen. Thích Nhất Hạnhs Retreats in DE (bis 2014) zogen Tausende an – er war hier ein „Publikumsmagnet“. Der engagierte Buddhismus inspiriert auch viele buddhistische Gruppen anderer Schulen, sich sozial einzubringen.
Bekannte Verfehlungen von Lehrern (Muster)
Theravāda (südlicher Buddhismus):
Keine größeren Skandale in DE bekannt. Traditionell durch strenge Ordensregeln (Vinaya) und Ethik gefestigt; kein spezifisches Muster von Missbrauchsfällen im deutschen Theravāda-Kontext.
Zen-Buddhismus (Chan/Seon):
Mehrere westliche Zen-Meister mit Missbrauchsskandalen: z.B. Eido Shimano und Joshu Sasaki (USA) wurden sexuelle Ausnutzung von Schülerinnen nachgewiesen. In Deutschland wurde 2018 ein Zen-Abt (Thich Thien Son, Odenwald) beschuldigt, Schüler sexuell bedrängt zu haben. Muster: Ausnutzung der Vertrauensposition in engen Meister-Schüler-Verhältnissen.
Tibetischer Buddhismus (Vajrayāna):
In jüngerer Zeit erhebliche Missbrauchsvorwürfe: Z.B. Sogyal Rinpoche (Rigpa-Gründer) wurde sexueller und psychischer Misshandlung beschuldigt; trotz Verehrung sind die Skandale um ihn unvergessen. In der Shambhala-Schule trat 2018 Sakyong Mipham (Oberhaupt) nach Untersuchungen zu sexuellem Fehlverhalten zurück. Muster: Machtmissbrauch durch Guru-Verehrung – die absolute Autorität des Lehrers wurde teils ausgenutzt, Aufarbeitung läuft (teils zögerlich) an.
Nichiren-Buddhismus (Sōka Gakkai):
Kontroversen: Kritiker bezeichnen SGI als straff organisiert und sektenähnlich. In der frühen Zeit wurden aggressive Missionsmethoden (Shakubuku – „zermalmen und unterwerfen“) praktiziert. Diese rigorose Haltung hat der Bewegung v.a. in Japan Kritik eingebracht. Konkrete Skandale um einzelne Lehrer gab es kaum (SGI hat kein Guru-System), aber die Organisation wird für autoritäre Tendenzen und Personenkult um Ikeda kritisiert.
Reines Land (Jōdo-Shinshū):
Keine bekannten Verfehlungen. Jōdo-Shinshū ist eine etablierte, institutionelle Tradition mit klaren Strukturen; es gab weder international noch in DE auffällige Skandale. Die Gemeindeleiter (Priester) unterliegen einem Ehrenkodex ähnlich dem christlicher Geistlicher, was bisher keine negativen Schlagzeilen verursachte.
Säkularer Buddhismus:
Keine bekannten Lehrerverfehlungen – durch Verzicht auf hierarchische Strukturen gibt es kaum Machtgefälle. Säkular orientierte Gruppen pflegen einen diskursiven Ansatz unter Gleichgesinnten. Dadurch ist das Risiko von Missbrauch (sexuell/finanziell) deutlich geringer. Kritisiert wird höchstens, dass durch die Entmystifizierung ein Verlust an Tiefe drohen könnte, was aber kein ethisches Fehlverhalten darstellt.
Vipassanā-Bewegung:
Keine bekannten Missbrauchsskandale. Die strikten Regeln während der Kurse (z.B. Geschlechtertrennung, Enthaltsamkeit) dienen der Prävention. Lehrende in dieser Bewegung betonen Ethik und dienen eher als Moderatoren denn als autoritäre Gurus. Herausforderungen liegen eher in der Betreuung Teilnehmer*innen mit psychischen Problemen (durch die Retreat-Intensität), weniger in Lehrerfehlverhalten.
Diamantweg-Buddhismus (Kagyü):
Starke Kontroversen um Gründer: Lama Ole Nydahl werden seit Jahren islamfeindliche und rassistische Aussagen vorgeworfen. 2021 bestätigte der Oberste Gerichtshof Wien, dass einige Äußerungen Nydahls als rechtsextrem und pauschal islamfeindlich bezeichnet werden dürfen. Dieses Muster (abwertende Kommentare über Ausländer und Muslime) führte zu Spannungen – sogar ein Ausschluss aus der DBU stand im Raum. Sexuelle oder finanzielle Skandale sind dagegen nicht bekannt; die Kritik fokussiert sich auf seine politischen Aussagen und den Personenkult.
Triratna (ehem. FWBO):
Vergangene Missstände: In den 1970/80ern gab es Vorwürfe gegen Sangharakshita und leitende Ordensmitglieder wegen sexueller Ausnutzung und Manipulation junger männlicher Schüler. 1997 veröffentlichte ein Dossier (The FWBO Files) Details, die vom Orden zunächst zurückgewiesen, später teilweise bestätigt wurden. 2016 entschuldigte sich Sangharakshita öffentlich für „Schmerz, den ich verursacht habe“. Muster: mangelnde Transparenz und Überschreitung persönlicher Grenzen unter dem Deckmantel von „spiritueller Freundschaft“. Heute bemüht sich Triratna um Aufarbeitung und präventive Ethikrichtlinien.
Engagierter Buddhismus (Thích Nhất Hạnh):
Keine bekannten Verfehlungen. Thích Nhất Hạnh selbst galt als Inbegriff von Gewaltlosigkeit und Integrität. Seine Gemeinschaften betonen Achtsamkeit und ethische Regeln, was Missbrauch vorbeugt. Herausforderungen liegen eher in der praktischen Umsetzung von Sozialprojekten und der Balance zwischen Aktivismus und spiritueller Tiefe, nicht in Fehlverhalten von Lehrenden.