Herkunft des Namens „Siddhartha“

In Bezug auf Buddha Gautama

Historischer Kontext des Namens „Siddhartha“

Verbreitung im 5. Jh. v. Chr.: Der Name Siddhārtha (Pali: Siddhattha) war im alten Nordindien bekannt und kein einzigartiger Einzelfall zur Zeit des historischen Buddha (ca. 5. Jh. v. Chr.). Es handelt sich um ein Sanskrit-Wort, das „der sein Ziel erreicht hat“ bedeutet (What’s in a Name? – Tricycle: The Buddhist Review). Entsprechend war es ein ausdrucksstarker und positiver Vorname, der vermutlich vor allem in adligen oder religiösen Familien vergeben wurde. So ist Siddhartha als Name zeitgenössischer Persönlichkeiten belegt: Beispielsweise wird in der Jain-Tradition berichtet, dass Mahavira (ein älterer Zeitgenosse des Buddha und Begründer des Jainismus) einen Vater namens Siddhartha hatte (Siddhartha, Siddha-artha, Siddhārtha, Siddhārthā: 35 definitions) (Siddhartha, Siddha-artha, Siddhārtha, Siddhārthā: 35 definitions). Dies zeigt, dass Siddhartha zur Lebenszeit von Gautama Buddha kein exklusiver Name der Buddhisten war, sondern auch außerhalb der buddhistischen Überlieferung vorkam.

Sozialer Hintergrund: Siddhartha war im Falle Buddhas nach der Überlieferung der persönliche Vorname des Prinzen aus dem Shakya-Geschlecht (Shakya-Klan) in Kapilavastu. Allerdings ist zu beachten, dass in der Gesellschaft jener Zeit oft der Sippen- bzw. Clan-Name zur Anrede verwendet wurde. Buddhas Clan-Name war Gautama (Pali: Gotama), da die Shakya angeblich vom vedischen Weisen Gautama abstammten (What’s in a Name? – Tricycle: The Buddhist Review). Entsprechend war Gautama/Gotama ein üblicher Name, mit dem man auch den Buddha – vor allem von nicht-buddhistischer Seite – ansprach (What’s in a Name? – Tricycle: The Buddhist Review). Der Eigenname Siddhartha hingegen findet in den frühesten historischen Quellen (z.B. Inschriften) zunächst keine Erwähnung. In den Edikten des Maurya-Kaisers Aśoka (3. Jh. v. Chr.), den ältesten epigraphischen Zeugnissen zum Buddhismus, wird der Buddha etwa „Sakyamuni“ (Weiser der Shakya) genannt (Edicts of Ashoka – Wikipedia), aber Siddhartha taucht dort nicht auf. Dies deutet darauf hin, dass der Name zwar bekannt war, aber in der frühen öffentlichen Darstellung Buddhas Person keine Rolle spielte.

Fazit (historischer Gebrauch): Insgesamt war Siddhartha offenbar kein seltenes Wort, sondern ein im religiös-kulturellen Umfeld Nordindiens geläufiger Begriff bzw. Name. Seine Verwendung im Buddhismus für Gautama Buddha scheint jedoch erst nachträglich wichtig geworden zu sein – in der Lebenszeit des Buddha und den direkt folgenden Generationen dominierte die Verwendung von Titeln (wie Buddha – „Erwachter“) und seines Clan-Namens (Gautama) gegenüber seinem individuellen Vornamen.

Der Name Siddhartha in buddhistischen Texten

Abwesenheit im Pāli-Kanon: Auffällig ist, dass der Name Siddhartha/Siddhattha in den ältesten buddhistischen Schriften – insbesondere im Pāli-Kanon der Theravāda-Tradition – gar nicht ausdrücklich erwähnt wird (What’s in a Name? – Tricycle: The Buddhist Review) (Buddha and the Political Events of His Times — Study Buddhism). Die frühesten Suttas (Lehrreden) und Vinaya-Texte meiden persönliche biographische Details des Buddha. Weder sein angeblicher Geburtsname Siddhattha noch der Name seines Vaters (Suddhodana) oder seiner Mutter (Māyā) werden in den ältesten Schichtungen genannt (dhamma musings: Why One And Not The Other?) (Buddha and the Political Events of His Times — Study Buddhism). Der Pāli-Kanon setzt zwar voraus, dass der Buddha als Mensch geboren wurde, konzentriert sich aber erst ab der „Großen Entsagung“ (Verlassen des weltlichen Lebens) auf seine Person (dhamma musings: Why One And Not The Other?). Alles davor – seine Geburt als Prinz, die Kindheit, Heirat, etc. – wird in den Urtexten kaum behandelt und demnach auch kein Geburtsname erwähnt (dhamma musings: Why One And Not The Other?). Dies legt nahe, dass die frühbuddhistische Gemeinschaft zunächst keine fest ausgeschmückte Biografie ihres Gründers tradiert hat, sondern das Interesse mehr auf den erwachsenen Buddha und seine Lehre richtete.

Erste Erwähnungen in späteren Texten: Der Name Siddhartha für den jungen Buddha taucht erst in später entstandenen buddhistischen Werken auf. Insbesondere in den nach-kanonischen biographischen Erzählungen wird er zum etablierten Bestandteil der Buddha-Geschichte. Zu den frühesten Texten, die Siddhartha als Eigennamen des Buddha verwenden, zählen:

  • Der Buddhavamsa/Buddhacarita: In der Theravāda-Tradition entstand relativ spät (vermutlich um das 1. Jh. v. Chr.) der Text Buddhavamsa („Chronik der Buddhas“). Dieser zählt die früheren Buddhas auf; auffälligerweise heißt einer der früheren Buddhas Siddhattha (Buddha Chronicle 16: Siddhattha Buddhavaṃsa). Für unseren Buddha Gautama selbst verwendet der Buddhavamsa jedoch eher Titel und den Clan-Namen. Erst in Kommentaren und Chroniken wurde auch er Siddhattha genannt. In der nordindischen Sanskrit-Literatur verfasste der Dichter Aśvaghoṣa im 1./2. Jh. n. Chr. das Epos Buddhacarita („Die Taten des Buddha“), das die Lebensgeschichte des Buddha ausführlich erzählt (Buddhacharita – Wikipedia). Darin wird Gautama Buddha durchgehend als Prinz Siddhārtha Gautama bezeichnet. Dieses Werk gehört zu den frühesten vollständigen Biographien und belegt, dass zu dieser Zeit der Name Siddhartha bereits fester Bestandteil der Buddha-Legende war.
  • Mahāvastu (Lokottara-Schule) und Lalitavistara (Sarvāstivāda/Mahayana): Ebenfalls in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten entstanden buddhistische Sanskrittexte, die die Legende vom Leben des Buddha erzählen. Das Mahāvastu („Große Ereignis“, wahrscheinlich 1. Jh. v. – 2. Jh. n. Chr. in Etappen kompiliert) der Mahāsāṅghika/Lokottaravāda-Schule und die Mahayana-Biografie Lalitavistara Sūtra (vermutlich 1.–3. Jh. n. Chr.) schildern ausführlich Buddhas Geburt, Jugend und die „Vier Ausfahrten“. In diesen Texten wird der Held klar als Siddhārtha (bzw. Pali Siddhattha) bezeichnet (Lalitavistara | Life Story, Biography & Legends – Britannica). Lalitavistara z.B. nennt den Buddha Siddhartha (Sanskrit für „er, der sein Ziel erreicht hat“) oder Siddhattha (Pali) (Lalitavistara | Life Story, Biography & Legends – Britannica) und macht deutlich, dass dies sein persönlicher Name als Prinz war. Ähnlich nutzt das Mahāvastu den Namen Siddhartha, um die menschliche Seite des Buddha zu betonen, bevor er zur Erleuchtung gelangte.
  • Pāli-Kommentare und spätere Chroniken: In Sri Lanka und Südostasien entwickelte sich im 5. Jh. n. Chr. die kommentarliterarische Tradition, welche die Lücken der kanonischen Texte füllte. Buddhaghosa und andere Gelehrte verfassten Kommentare und Zusammenstellungen wie die Nidānakathā (Einleitung zur Jātaka-Sammlung), die erstmals auf Pāli die vollständige Buddha-Biographie erzählten. Darin wird Gautama vom Zeitpunkt seiner Geburt an als Prinz Siddhattha bezeichnet. Diese späteren Texte übernahmen damit den inzwischen etablierten Namen aus der mündlichen Tradition und evt. nordindischen Quellen in die Theravāda-Schrifttradition. Sie stützten sich teilweise auf bereits vorhandene Legenden, die – wie Bhante Dhammika aufzeigt – stark von der Biographie Mahaviras (Jain-Gründer) beeinflusst waren (dhamma musings: Why One And Not The Other?). Jedenfalls ab dieser Phase (5. Jh. n. Chr.) galt in allen buddhistischen Schulen der Geburtsname des Buddha als Siddhartha/Siddhattha und wurde in Übersetzungen und neuen Schriften entsprechend verwendet.

Verwendung des Namens in den Texten: In all den genannten späteren Texten wird Siddhartha klar als Eigenname und nicht etwa als Titel verwendet. Das heißt, Buddha Gautama wird in der Schilderung seiner vor-erleuchteten Zeit (als Fürstensohn und Asket) „Prinz Siddhartha“ genannt. Dies ist also eine retrospektive Namensgebung – rückblickend wird der historische Buddha im Kontext seiner Jugend so benannt, obwohl diese Benennung in den ältesten Quellen fehlt. Westliche Darstellungen folgen dem und sprechen von Siddhartha Gautama insbesondere, wenn sie den Buddha vor seiner Erleuchtung meinen (What’s in a Name? – Tricycle: The Buddhist Review). In der akademischen und populären Literatur hat sich diese Konvention eingebürgert, um zwischen dem historischen Menschen und dem erwachten Buddha zu unterscheiden.

Alternative Namen und Titel in frühen Schriften: Da Siddhartha im Pāli-Kanon fehlt, begegnen uns dort andere Bezeichnungen für Gautama Buddha:

  • Gautama/Gotama: Wie erwähnt sein Clan- bzw. Familienname, der im Dialog häufig genutzt wird. Insbesondere Gesprächspartner, die (noch) keine Anhänger waren, sprachen ihn respektvoll als „Gautama“ an (What’s in a Name? – Tricycle: The Buddhist Review) – vergleichbar einer formellen Anrede mit Nachnamen. Beispiel: In vielen Suttas reden Brahmanen den Buddha mit „Gotama“ an.
  • Śākyamuni (Pali: Sakyamuni): Bedeutet „Weiser der Shakya“. Dies ist ein Ehrenname/Epitheton, das in den späteren Texten sehr geläufig wurde (vor allem im Mahāyāna-Buddhismus und in chinesischen/tibetischen Quellen). Der Name betont die Zugehörigkeit zum Shakya-Klan. Er findet sich erstmals historisch belegt in der Inschrift des Aśoka in Lumbini (3. Jh. v. Chr.), wo Aśoka den Buddha explizit „Shakyamuni“ nennt (Edicts of Ashoka – Wikipedia). Im Pāli-Kanon selbst kommt die Bezeichnung Sakyamuni nicht vor, wohl aber später in Sanskrit-Sutras (z.B. Lotus-Sutra etc.) und in praktisch allen ostasiatischen Sprachen als übliche Benennung des Buddha.
  • Buddha: Dies ist kein Name, sondern ein Titel („Erwachter, Erleuchteter“). In den Lehrreden wird der historische Buddha nach seiner Erleuchtung meist schlicht „der Buddha“ genannt. Allerdings war dies zu seinen Lebzeiten kein üblicher Anredetitel durch andere. Vielmehr verwendeten es die Schriften in der Erzählperspektive. (Aśoka spricht in Edikten beispielsweise vom „Buddha“ in dritter Person.) Der Buddha selbst verwendet den Begriff „Buddha“ selten für sich; stattdessen verwendet er oft den Ausdruck Tathāgata.
  • Bhagavā/Bhagavat (der Erhabene/Hochwürdige): Dies war eine ehrerbietige Anrede seitens seiner Anhänger. Im Pāli-Kanon wenden sich Mönche oder Laien, die an ihn glauben, häufig mit „Bhagavā“ (Erhabener) an den Buddha (What’s in a Name? – Tricycle: The Buddhist Review). Dieses Wort entspricht etwa „heiliger Herr“ und unterstreicht Respekt. Auch Bhante (Ehrwürdiger Herr) wird oft gebraucht von Schülern, wenn sie den Buddha direkt ansprechen. Diese Titel ersetzten in den frühen Dialogen den Vornamen – es wäre in der damaligen Kultur unüblich gewesen, einen hochverehrten Lehrer bei seinem persönlichen Namen zu nennen.
  • Tathāgata (der „So-Gegangene/So-Gekommene“): Dies ist die Selbstbezeichnung, die der Buddha im Kanon am häufigsten für sich nutzt. Wenn er in Lehrreden von sich spricht, sagt er z.B. „der Tathāgata“ anstelle von „ich“. Auch dies ist kein Eigenname, sondern ein ehrenvoller Titel mit tiefgehender Bedeutung in der buddhistischen Philosophie.
  • Bodhisatta/Bodhisattva: In erzählenden Passagen, die sich auf Buddhas vorige Existenzen oder die Zeit vor seiner Erleuchtung beziehen, wird er oft als Bodhisatta (Pali; Sanskrit Bodhisattva) bezeichnet – was „Erleuchtungswesen“ heißt. Beispielsweise in Jātaka-Geschichten (Geburtsgeschichten) nennt man den zukünftigen Buddha in jedem seiner früheren Leben der Bodhisatta. Auch unmittelbar vor seiner Erwachung in seinem letzten Leben spricht man von ihm als Bodhisatta. Dies ist allerdings eher ein Rollentitel als ein Name.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Frühe buddhistische Schriften vermieden den persönlichen Namen und nutzten stattdessen Clan-Namen und Titel/Epitheta, um den Buddha anzusprechen. Siddhartha als Name tritt erst in der nachkanonischen Literatur hervor und wurde dann rückwirkend Teil der allseits bekannten Buddha-Biografie.

Philologische Entwicklung und Etymologie des Namens

Etymologie: Der Name Siddhārtha ist sanskritsprachig. Er setzt sich aus siddha (सिद्ध) und artha (अर्थ) zusammen (What’s in a Name? – Tricycle: The Buddhist Review). Siddha bedeutet „vollendet, erlangt“ und artha bedeutet „Zweck, Ziel, Bedeutung“ (What’s in a Name? – Tricycle: The Buddhist Review). Die gängigste Übersetzung von Siddhartha lautet daher „der sein Ziel erreicht hat“ (What’s in a Name? – Tricycle: The Buddhist Review) – oder freier: „der erfolgreiche Zielerfüller“. Diese Bedeutung könnte man als vorsorgliche Ehrenbezeichnung interpretieren: Der Legende nach erhielten Prinz Siddhartha’s Eltern von Weisen die Prophezeiung, er würde Großes erreichen. Der Name drückt somit einen Wunsch oder ein Omen aus, dass der Träger sein höchstes Ziel im Leben vollenden möge – was in Buddhas Fall als Vorahnung seiner Erleuchtung gesehen wird. (Allerdings ist anzumerken, dass dieser Sinngehalt wahrscheinlich erst nachträglich voll ausgeschöpft wurde, als Buddha tatsächlich „sein Ziel erreicht“ hatte.) Im Pāli, der Sprache des Theravāda-Kanons, lautet die Entsprechung Siddhattha (gleichbedeutend; Pāli verwendet -ttha wo Sanskrit -rtha hat) (Buddha and the Political Events of His Times — Study Buddhism).

Verbreitung in verschiedenen Sprachen: Mit der Ausbreitung des Buddhismus in verschiedene Kulturräume wurde der Name Siddhartha in zahlreiche Sprachen übertragen:

  • In chinesischen Übersetzungen erscheint der Name phonetisch als 悉達多 (Pinyin: Xídáduō) (The Last Journey of “Buddha”-Kushinagar -Gorakhpur-Uttar Pradesh –). Häufig wird er zusammen mit dem Familiennamen als 悉達多·喬達摩 (Siddhartha Gautama, Xídáduō Qiáodámó) angegeben. In klassischen chinesischen Texten wird Buddha jedoch meist Shìjiāmóuní (釋迦牟尼, Shakyamuni) genannt, während Xídáduō speziell für die Prinzenzeit verwendet wird.
  • In tibetischen Schriften findet man sowohl Transliteration als auch Übersetzung: Eine geläufige Übersetzung ins Tibetische ist Don-grub (དོན་གྲུབ་) (Buddha and the Political Events of His Times — Study Buddhism), was wörtlich ebenfalls „Ziel erreicht“ bedeutet (don = „Zweck, Bedeutung“; grub = „vollendet“). Damit übertrug man die Bedeutung des Namens direkt ins Tibetische. Alternativ existieren auch lautliche Annäherungen an Siddhartha, aber Don-grub ist in der tibetischen Traditionsliteratur etabliert als Name des jungen Buddha.
  • In japanischer Aussprache wird Siddhartha (aus den chinesischen Zeichen) Shiddatta oder Shitta genannt (Siddhārtha – Oxford Reference) (The Last Journey of “Buddha”-Kushinagar -Gorakhpur-Uttar Pradesh –), und Gautama als Gautama oder via chinesisch Kōdaruma. Allerdings wird in Ostasien meist der Titel (Shaka for Shakyamuni) bevorzugt und der Vorname seltener separat benutzt.
  • In vielen modernen indischen Sprachen (Hindi, Nepali usw.) ist Siddhartha ein verständlicher Name mit derselben Sanskrit-Bedeutung (Siddhartha, Siddha-artha, Siddhārtha, Siddhārthā: 35 definitions). Z.B. im Hindi gilt Siddhārth (सिद्धार्थ) sowohl als Adjektiv „zielerfüllt“ als auch als Name – dort ausdrücklich bekannt als „Name des Buddha vor seiner Erleuchtung“ (Siddhartha, Siddha-artha, Siddhārtha, Siddhārthā: 35 definitions). In der nepalesischen Sprache bedeutet Siddhartha (सिद्धार्थ) „wer sein Ziel erreicht hat; erfolgreich“ (Siddhartha, Siddha-artha, Siddhārtha, Siddhārthā: 35 definitions), analog zur Ursprungsbedeutung.
  • Übersetzung vs. Transliteration: Interessant ist, dass manche Traditionen den Namen lautmalerisch übernommen haben (z.B. die chinesische Xi-da-duo oder die südostasiatische Pali/Siṃhala Tradition mit Siddhattha), während andere die Bedeutung übersetzt haben (Tibetisch Don-grub). Dies zeigt, wie wichtig der symbolische Gehalt des Namens war – er wurde teils als integraler Bestandteil der buddhistischen Lehre gesehen (der Buddha als jemand, der das höchste Ziel erreicht hat).

Entwicklung der Namensnutzung: In der frühesten Zeit nach Buddha wurde sein persönlicher Name offenbar kaum gebraucht (wie oben dargelegt). Doch mit der Ausformung der Buddha-Biographie in den Jahrhunderten nach seinem Tod gewann der Name Siddhartha an zentraler Bedeutung. Alle späteren Schulen – von Theravāda über Mahāyāna bis Vajrayāna – übernahmen diese Benennung in ihre Erzählungen. So wird in Mahayana-Sutren (z.B. Lotos-Sutra, Vimalakīrti-Sūtra etc.) häufig auf den Zeitraum verwiesen, als „Siddhartha Gautama noch ein Prinz im Palast von Kapilavastu war“, um dann Buddhas Entsagung einzuleiten. In der Theravāda-Überlieferung wird spätestens in den Chroniken (Mahāvaṃsa etc.) und volkstümlichen Erzählungen (Jātakas) der Name Siddhattha verwendet, wenn man vom jungen Buddha spricht. Ab dem Mittelalter war Siddhartha als fester Bestandteil der Buddha-Legende überall präsent – bis hin zur Moderne, wo populäre Darstellungen (Romane, Filme etc.) ihn selbstverständlich nutzen.

Späte Einführung des Namens? Manche Gelehrte haben darauf hingewiesen, dass die späte erstmalige Nennung des Namens in den Textquellen darauf hindeutet, dass „Siddhartha“ als Buddha-Vorname eventuell eine spätere Ergänzung der Überlieferung sein könnte (dhamma musings: Why One And Not The Other?). Es gibt textkritische Analysen, die zeigen, dass viele Details der klassischen Buddha-Biographie (Geburt als Prinz, Palastleben, Heirat, etc.) – und mit ihnen der Name Siddhartha – in den ältesten Textschichten fehlen und erst in späteren, teils legendären Erzählungen ausgeschmückt wurden (dhamma musings: Why One And Not The Other?). Dies bedeutet nicht, dass der Buddha keinen Vornamen hatte, sondern dass die ältesten Gemeinden offenbar keinen Wert auf diese Angabe legten oder die Überlieferung dazu verloren ging. Die systematische Etablierung des Namens geschah demnach in einer Phase, als man begann, dem Buddha eine „vollständige“ Lebensgeschichte zu geben.

Alternative Theorien zur Herkunft des Namens

Spätere Zuschreibung vs. historischer Name: Ein wichtiger Diskussionspunkt lautet, ob Siddhartha tatsächlich der historische Geburtsname Gautama Buddhas war oder ob dieser Name nachträglich in die Buddha-Geschichte eingeführt wurde. Die traditionelle Sicht (innerhalb aller buddhistischen Schulen) nimmt an, dass Siddhartha Gautama tatsächlich so hieß. Doch moderne wissenschaftliche Untersuchungen hegen Zweifel, da – wie oben erwähnt – Siddhartha in den ältesten Quellen fehlt. Einige Indologen und Historiker vermuten, dass der Name erst Jahrhunderte später festgelegt wurde, um dem Buddha eine bedeutungsvolle Identität in seiner Vorgeschichte zu geben. Es war üblich, bedeutenden religiösen Persönlichkeiten sprechende Namen zuzuweisen, die ihr Wirken symbolisieren. Siddhartha passt ideal, da der Buddha das „Ziel“ (Erleuchtung) erreicht hat. Es bleibt aber unklar, wann genau die buddhistische Tradition begann, diesen Namen zu verwenden.

Einfluss anderer Traditionen: Eine interessante Theorie besagt, dass Elemente der Buddha-Biographie – einschließlich des Namens Siddhartha – aus der Biographie von Mahavira (Gründer des Jainismus) entlehnt wurden (dhamma musings: Why One And Not The Other?). Bhante Shravasti Dhammika weist darauf hin, dass zahlreiche Parallelen bestehen: Mahavira war Prinz eines Klanführers Siddhartha, er heiratete, hatte ein Kind, verließ mit ~30 Jahren sein Zuhause und erreichte Erleuchtung (Kevala) unter Entsagung (dhamma musings: Why One And Not The Other?). Viele dieser Details finden sich später auch in Erzählungen über Buddha Gautama – obwohl sie im Pāli-Kanon fehlen. Es ist daher denkbar, dass buddhistische Geschichtenerzähler in den Jahrhunderten nach Buddha bei der Ausgestaltung von dessen Lebenslauf auf bekannte Motive aus der Jain-Tradition zurückgriffen (dhamma musings: Why One And Not The Other?). So könnte Siddhartha als Name des Buddha populär geworden sein, weil im kulturellen Gedächtnis dieser Name mit einer erleuchteten Persönlichkeit (Mahaviras Vater oder anderen Heiligen) verknüpft war und gut zum Buddha passte. Diese Theorie untermauert die Sicht, dass Siddhartha nicht zwingend aus der unmittelbaren historischen Realität Buddhas stammen muss, sondern Teil einer später entwickelten Erzähltradition ist.

Namen in den frühesten Texten: Als sicher kann gelten, dass die frühesten Texte Buddha Gautama anders benennen als mit Siddhartha. Im Pāli-Kanon wird – wie erwähnt – stattdessen Gotama/Gautama genutzt, oder schlicht Buddha, Bhagavā, Tathāgata usw. Die Tatsache, dass nirgendwo in den Nikāyas oder Āgamas der Name Siddhattha/Siddhartha steht (dhamma musings: Why One And Not The Other?), hat zu der Schlussfolgerung geführt, dass dieser Name erst nachträglich hinzugefügt wurde. Hätte die frühe Gemeinde den Buddha von Anfang an so genannt, wäre zu erwarten, dass diese Information (ähnlich wie der Name seiner wichtigsten Schüler, z.B. Ānanda, Sāriputta etc.) irgendwo im Kanon erscheint. Stattdessen herrscht dort Schweigen zu seinem Vornamen. Dies lässt zwei Möglichkeiten offen: Entweder der Name war tatsächlich unwichtig und wurde deshalb ausgelassen, oder er war noch nicht „erfunden“/etabliert, als die frühesten Überlieferungen fixiert wurden. Viele Forscher tendieren zur zweiten Erklärung.

Scholarly Consensus: Es gibt zwar keine antiken Gegenquellen, die einen anderen Geburtsnamen für den Buddha angeben – wir kennen Gautama Buddha in keiner Überlieferung unter einem alternativen Personennamen. Daher nehmen Historiker meist an, dass, falls Siddhartha nicht original sein sollte, der eigentliche Name unbekannt bleibt. Allerdings wird oft betont, dass dies auch gar nicht ungewöhnlich wäre: Religiöse Gründer werden nicht selten erst im Nachhinein mit Legenden ausgeschmückt, ohne dass dies historisch exakt sein muss. Im Falle Buddhas scheinen die Lehren im Vordergrund gestanden zu haben, weniger biographische Details. Dass sein Geburtsname Siddhartha später so prominent wurde, spricht dafür, dass die Nachwelt eine Bedeutung in den Namen hineinlegen wollte – ob er nun tatsächlich so hieß oder nicht.

Zusammengefasst stützen textkritische Befunde die Annahme, dass Siddhartha als Name Gautamas eine spätere Ergänzung der Überlieferung ist (dhamma musings: Why One And Not The Other?). Anstatt auf den ältesten Schichten zu beruhen, erscheint der Name zuerst in späteren Texten, die eine bereits mythisch ausgeschmückte Biographie darstellen. Diese Feststellung ändert allerdings nichts daran, dass Siddhartha Gautama heute der allgemein anerkannte Name des historischen Buddha ist – ein Name, der symbolisch für seinen Weg steht.

Zeitleiste zur Entstehung und Überlieferung des Namens Siddhartha

  • 5. Jahrhundert v. Chr.: Lebenszeit des historischen Buddha. Siddhartha ist als Sanskrit-Name mit der Bedeutung „Ziel erreicht“ bekannt. Es gibt keine zeitgenössischen Aufzeichnungen über Buddhas persönlichen Namen. Buddha wird von Zeitgenossen wahrscheinlich mit seinem Clan-Namen Gautama oder Ehrentiteln angeredet. Gleichzeitig existieren andere Träger des Namens in der Region (z.B. Mahaviras Vater Siddhartha in derselben Epoche (Siddhartha, Siddha-artha, Siddhārtha, Siddhārthā: 35 definitions)).
  • 3. Jahrhundert v. Chr.: Die Aśoka-Inschriften (erste schriftliche Erwähnungen des Buddha in der Geschichte) nennen ihn „Buddha Śākyamuni“ (Erleuchteter der Shakya) (Edicts of Ashoka – Wikipedia). Siddhartha wird in diesen frühhistorischen Dokumenten nicht erwähnt, was darauf hindeutet, dass der Name in der öffentlichen buddhistischen Erinnerung dieser Zeit noch keine prominente Rolle spielte.
  • 1. Jahrhundert v. Chr.: Vermutliche Entstehungszeit später kanonischer Texte wie des Buddhavamsa (Theravāda). Darin wird Gautama Buddha selbst zwar nicht Siddhattha genannt, doch erscheint der Name Siddhattha als einer der früheren mythischen Buddhas (Buddha Chronicle 16: Siddhattha Buddhavaṃsa). Dies zeigt, dass der Name im buddhistischen Wortschatz vorhanden war. Möglicherweise kursierten um die Zeitenwende bereits mündliche Erzählungen von Buddha Gautamas frühem Leben, in denen der Name genutzt wurde – schriftlich in der Theravāda-Tradition niedergeschrieben wurde die Biographie aber erst später (siehe Nidānakathā im 5. Jh.).
  • 1.–2. Jahrhundert n. Chr.: Ausformulierte Buddha-Biographien entstehen im nördlichen Buddhismus. Das Sanskrit-Epos Buddhacarita von Aśvaghoṣa (frühes 2. Jh. n. Chr. vollendet (Buddhacharita – Wikipedia)) erzählt detailliert die Geschichte des Prinz Siddhartha Gautama bis zu seiner Erleuchtung. Ähnlich beschreibt das Mahāvastu (verfasst über die ersten Jahrhunderte n. Chr.) die Jugend des Buddha als Siddhartha. In dieser Zeit dürfte Siddhartha erstmals schriftlich festgehalten worden sein als sein Eigenname. Auch das (möglicherweise etwas später finalisierte) Lalitavistara-Sutra verwendet konsequent den Namen Siddhartha/Siddhattha für den Bodhisattva, was zeigt, dass bis ca. 3. Jh. n. Chr. dieser Name in der buddhistischen Welt fest etabliert war (Lalitavistara | Life Story, Biography & Legends – Britannica).
  • 3.–5. Jahrhundert n. Chr.: Verbreitung in Übersetzungen: Buddhistische Literatur – einschließlich der Lebensgeschichte Buddhas – wird in andere Sprachen übertragen. Siddhartha erscheint z.B. in chinesischer Übersetzung als 悉達多 (erstmals in Biographien, die im 3./4. Jh. n. Chr. ins Chinesische übersetzt wurden, wie dem Fo benxing ji jing, einer Übersetzung der Buddha-Lebensgeschichte). In Zentralasien bezeugen Texte in Gandhārī, Sanskrit und anderen Sprachen ebenfalls den Gebrauch des Namens. Der Name wird somit international bekannt. In dieser Phase wird auch im südlichen Buddhismus die Biographie verschriftlicht: Die Nidānakathā (Einleitung der Jātakas, wohl 5. Jh. n. Chr.) und Chroniken in Pāli übernehmen Siddhattha als Buddhas Geburtsnamen. Spätestens jetzt akzeptiert auch die Theravāda-Schrifttradition den Namen.
  • Ab dem 5. Jahrhundert n. Chr.: Der Name Siddhartha Gautama ist nun in allen buddhistischen Traditionen verankert. Spätere Texte, Kommentare und Lehrschriften referenzieren ihn, und er wird zu einem Teil der allgemeinen Lehrüberlieferung. In Tibet wird er als Don-grub übersetzt (Buddha and the Political Events of His Times — Study Buddhism), in Ostasien spricht man vom jungen Shakyamuni als Xídáduō (Siddhartha) usw. (The Last Journey of “Buddha”-Kushinagar -Gorakhpur-Uttar Pradesh –). Keine nennenswerte Gegenüberlieferung existiert – der Name Siddhartha bleibt unangefochten die Bezeichnung für den Buddha vor seiner Erleuchtung.
  • Moderne Zeit: Historiker stellen fest, dass der Name Siddhartha im ursprünglichen Kanon fehlt und interpretieren dies als Anzeichen dafür, dass es sich um eine spätere Hinzufügung handeln könnte (dhamma musings: Why One And Not The Other?). Gleichwohl verwenden praktisch alle populären Darstellungen (Schulbücher, Enzyklopädien, Romane wie Hermann Hesses „Siddhartha“, Filme usw.) den Namen Siddhartha Gautama als selbstverständlich. Die historische Forschung versucht hier zwischen tradierter Legende und greifbarer Faktenlage zu unterscheiden, akzeptiert jedoch, dass der Name Siddhartha fester Bestandteil der Buddha-Tradition geworden ist – unabhängig von seinem genauen historischen Ursprung.

Quellen: Die obigen Aussagen stützen sich auf eine Vielzahl von Quellen, darunter traditionelle buddhistische Schriften und moderne wissenschaftliche Analysen. Zum Beispiel dokumentieren Träger der Überlieferung wie Bhante Dhammika explizit, dass der Name im Tipiṭaka nicht vorkommt und erst später hinzugesetzt wurde (dhamma musings: Why One And Not The Other?). Auch die Studien von Historikern (z.B. Alexander Berzin) bestätigen: „Obwohl sein persönlicher Name Siddhattha im Pali-Kanon nicht erscheint, verwenden wir ihn der Bequemlichkeit halber“ (Buddha and the Political Events of His Times — Study Buddhism). Solche Befunde, zusammen mit textvergleichenden Untersuchungen, ergeben das obige Bild der Entwicklung des Namens Siddhartha im Buddhismus.